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23. Februar 2016

„Hinter jeder Beratung steht ein Schicksal“

Ein Jahr in neuen Räumen: Beratungsstelle für Familienplanung und Schwangerschaftskonflikte des Kreises Paderborn zieht Bilanz

Das Team der Schwangerschaftskonfliktberatung 
„Kein Job sondern Herzensangelegenheit“: (von links nach rechts) Beate Groepper, Annedör Scheiber und Kerstin Buchheldt stehen Frauen und Familien zur Seite (Foto: Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kreis Paderborn, Ulrike Sander)

Helle freundliche Räume, die Sicherheit und Vertrauen ausstrahlen: Für Annedör Scheiber und Beate Groepper ist mit den neuen Räumen für die Beratungsstelle für Familienplanung und Schwangerschaftskonflikte des Kreises Paderborn ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Vor einem Jahr hieß es Kartons packen und in die Aldegreverstraße 16 umziehen. „Wir fühlen uns hier sehr wohl und so geht es auch den Frauen und Familien, die zu uns kommen“, betonen beide. Die einladende Atmosphäre helfe den Betroffenen, alles auszusprechen, was ihre Seele belaste. Der neue Standort liegt zudem im Erdgeschoss. Mütter mit Kinderwagen können problemlos die Beratungsstelle erreichen.

Die beiden Beraterinnen haben sehr viel Erfahrung: Annedör Scheiber hilft seit über 35 Jahren Frauen und natürlich Familien in Konfliktsituationen. Beate Groepper ist seit 28 Jahren dabei. „Das ist kein Job, das ist eine Herzensangelegenheit“, betonen beide. Verstärkt wird das Team der Diplom-Sozialarbeiterinnen durch Assistentin Kerstin Buchheldt, die seit 2014 sich um die Organisation im Hintergrund kümmert.

„Hinter jeder Beratung steht ein Schicksal“, sagt Scheiber. Um neun Uhr war ein Paar bei ihr, das seit einem Jahr in einer Beziehung lebt. Sie ist zurzeit arbeitslos. Er ist geschieden und hat bereits zwei Kinder. Finanziell wäre ein weiteres Kind eine Katastrophe. Beide sprachen zu Beginn von einem Schwangerschaftsabbruch. „Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass beide eigentlich ein gemeinsames Kind wollten“, erzählt Scheiber. In diesem Fall habe man gemeinsam überlegt, welche beruflichen Möglichkeiten die Frau hat. Dass eine Tagesmutter sie entlasten könne. Das wiederum nimmt den Druck vom Mann, damit er sich überhaupt darauf einlassen kann, wieder Vater zu werden. Um 10 Uhr sitzt eine Frau vor den Beraterinnen, die in der 20. Schwangerschaftswoche ist und gerade die Diagnose bekommen hat, dass das Kind schwerstbehindert zur Welt kommen wird. Die Frau weint. Ihr Mann, der sie begleitet, wirkt wie versteinert. „In so einer Situation kann ich erst einmal nur zuhören und Verständnis zeigen. Alle Beteiligten, auch wir Beraterinnen, müssen dann dieses Leid erst einmal aushalten können“, sagt sie. In der Beratung finde dieses Paar die Zeit und den Raum, ihre Gefühle auszusprechen und zuzulassen. „Das ist dann der erste Schritt, um eine Entscheidung zu treffen“, erklärt Scheiber.
„Derzeit haben wir – wie alle anderen Beratungsstellen auch - einen sehr hohen Anteil an Flüchtlingsfrauen, die schwanger sind“, berichtet Groepper. Die fehlende Privatsphäre in den Unterkünften, die räumliche Enge, so gut wie kein Sichtschutz, das alles mache den Frauen besonders zu schaffen. „Doch hier können wir auch finanziell helfen“, sagt Groepper, wenn der Umzug in eine Wohnung gelingt. Anders als beispielsweise die Beratungsstelle Pro Familia können Mittel aus einer Bundesstiftung beantragt werden. Außerdem verfügt der Kreis über einen eigenen Schwangerschaftsfonds. Insgesamt wurden allein im vergangenen Jahr aus dem Schwangerschaftsfonds des Kreises 23.350 Euro an 51 Antragsteller ausgezahlt. Gut 103.000 Euro an Bundesmitteln flossen an 171 Betroffene bzw. Familien im Kreisgebiet „Das ist zwar ein hoher bürokratischer Aufwand, diese Mittel einzuwerben, aber auch das leisten wir gern“, bekräftigt Groepper.

Beratungsstelle mit Neutralität

Annedör Scheiber unterstreicht, dass alle Beratungsstellen im Kreis Paderborn auf Basis der Bundesgesetzgebung arbeiten und zur Neutralität verpflichtet sind. „Als kommunale Beratungsstelle sind wir weltanschaulich und religiös neutral“, bekräftigt sie. Gerade die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte würden der Beratungsstelle „im Amt“ großes Vertrauen entgegenbringen.
Die Zahlen belegen den Zuspruch insgesamt: Allein im vergangenen Jahr wurden 1.055 Beratungsgespräche geführt. 253 Frauen, die sich in einem so genannten Schwangerschaftskonflikt befanden, erhielten eine Bescheinigung über die erfolgte Beratung.
Die kreiseigene Beratungsstelle führt bewusst den Zusatz „Familienplanung“ in ihrem Namen. Das Angebot ist umfassend und reicht von der Familienplanung und Empfängnisverhütung über medizinische Fragen bis hin zu möglichen sozialen Hilfen und Leistungen. Seit April vergangenen Jahres gibt es wieder den Treff für junge Schwangere in den Räumen der Beratungsstelle. Alle 14 Tage können sie hier Kontakte knüpfen und sich informieren. Beraten werden sie auf Wunsch auch über finanzielle Hilfen in der Schwangerschaft und für das erste Jahr nach der Geburt. „Bei uns können sie schöne oder belastende Erlebnisse miteinander teilen. Ihre wichtigste Erfahrung ist dabei „Ich bin nicht allein“, erläutert Groepper.
Die Beratungsstelle für Familienplanung und Schwangerschaftskonflikte des Kreises Paderborn ist mit einem Infostand und einer Fotobox beim Markt der Möglichkeiten anlässlich des Internationalen Frauentages am Samstag, 5. März im Paderborner Rathaus vor Ort.

Die Beratungsstelle hat ihren Sitz in der Aldegreverstraße 16. Der separate Eingang befindet sich etwa 100 m links neben dem Haupteingang des Kreishauses Paderborn.

Sprechzeiten: montags bis donnerstags: 7 bis 16 Uhr, freitags 7 bis 12:30 Uhr.

Termine können selbstverständlich auch telefonisch unter der 05251 308-5367 vereinbart werden.

Hier finden Sie weitere Infos.

Hintergrund:

Laut Gesetz ist das Land in der Pflicht, ein ausreichendes plurales Angebot an wohnortnahen Beratungsstellen einzurichten. Die Personalkosten werden zu 80 Prozent vom Land getragen. Die restlichen 20 Prozent müssen selbst finanziert werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dazu in einem Urteil vom Juli 2003 ausgeführt, dass zur Verhinderung von Missbrauch und wegen des eigenständigen Interesses der Träger an der Beratung ein spürbarer Eigenanteil von bis zu 20 Prozent gefordert werden kann.
Der Kreis Paderborn unterhält in Ostwestfalen-Lippe (OWL) die einzige kommunale Beratungsstelle und trägt auch 20 Prozent der Gesamtkosten. Insgesamt stehen sechs Schwangerschaftsberatungsstellen (Diakonie Paderborn/Höxter e.V., donum vitae - Regionalverband Paderborn, FreiesBeratungsZentrum Paderborn, Kreis Paderborn, Pro Familia Paderborn, Sozialdienst Katholischer Frauen e.V.) zur Verfügung. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist in § 4 Abs. 1 geregelt, dass je 40.000 Einwohner eine Beraterin oder ein Berater vorhanden sein muss. Bezogen auf die aktuelle Einwohnerzahl (etwas über 300.000 Einwohner) ergäbe sich daraus rein rechnerisch eine Versorgung von 7,55 Stellen. Im Kreis Paderborn werden in den sechs Beratungsstellen derzeit 9,94 Stellen gefördert. Ohne Pro Familia (1,5 Stellen) läge der Anteil der geförderten Stellen bei 8,44 und damit immer noch über dem gesetzlich geforderten Soll.

Der Kreis Paderborn zahlt den Restkostenanteil seiner eigenen Beratungsstelle und fördert aufgrund der Bevölkerungsstruktur die konfessionellen Beratungsstellen Diakonie und Donum Vitae. Alle anderen werden nicht gefördert. Diese Förderpraxis war im Mai 2008 durch das Urteil des Oberwaltungsgerichts für NRW bestätigt worden. Geklagt hatte Pro Familia, die ihren Antrag auf Bezuschussung vor Gericht durchsetzen wollten. Der Kreis hatte in dem Verfahren geltend gemacht, dass durch die eigene kommunale und damit konfessionslose und weltanschaulich neutrale Beratungsstelle und die Förderung der Beratung in katholischer und evangelischer Trägerschaft das notwendige plurale Angebot sichergestellt sei. Das Gericht sah das auch so.

Der Kreistag hatte zuletzt im Dezember 2015 einen erneuten Antrag von Pro Familia auf Bezuschussung in Höhe von 20.000 Euro abgelehnt. Der u.a. Übersicht kann entnommen werden, dass der Kreis Paderborn insgesamt in der Schwangerschaftskonfliktberatung im Vergleich zu anderen Kreisen sehr gut aufgestellt ist.

Anzahl der vom Land NRW geförderten Beratungsstellen sowie der Beratungsfachkräfte in der Schwangerschafts-(konflikt-)beratung im Regierungsbezirk Detmold 2016-2020*

Kreis/ kreisfreie Stadt Anzahl Beratungsstellen Anzahl geförderter Beratungskraftstellen 2016 - 2020
Stadt Bielefeld 3 11,79
Kreis Gütersloh 4 6,31
Kreis Herford 1 4,49
Kreis Höxter 3 4,75
Kreis Lippe 3 5,32
Kreis Minden-Lübbeke 3 5,19
Kreis Paderborn 6 9,94
Gesamt 23 47,79
 
 
 

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