17. Dezember 2015
70 unbegleitete Flüchtlinge leben derzeit im Kreis Paderborn. Das Paderborner Kreisjugendamt rechnet allein bis zum Jahresende mit weiteren 30 Jugendlichen. Ihre Unterbringung wird zunehmend schwieriger, sodass Gastfamilien für diese Kinder und Jugendlichen gesucht werden.
Jugendliche, die unter Lebensgefahr wochenlang allein durch fremde Länder herumirren. Ein Alptraum für Eltern. 70 von ihnen, so genannte unbegleitete Flüchtlinge, leben derzeit im Kreis Paderborn. Das Paderborner Kreisjugendamt rechnet allein bis zum Jahresende mit weiteren 30 Jugendlichen. Ihre Unterbringung wird zunehmend schwieriger. „Wir suchen dringend Gastfamilien, die diese Kinder und Jugendlichen bei sich aufnehmen und ihnen ein Zuhause geben“, sagt der Leiter des Paderborner Kreisjugendamtes, Hermann Hutsch. Die jungen Flüchtlinge sind meist im Alter zwischen 12 und 17 Jahren „und brauchen jetzt erst einmal Sicherheit und Geborgenheit, wie sie Familien am besten geben können“, bekräftigt Hutsch.
Ammar, Zaid und Milad sind so genannte unbegleitete Flüchtlinge. Was das heißt, beginnt man zu ahnen, wenn man in ihre Kindergesichter schaut. Sie wirken seltsam erwachsen. So als ob sie auf ihrer dramatischen Flucht innerhalb weniger Wochen genau das werden mussten. Die drei haben Glück gehabt und durch Vermittlung des Kreisjugendamtes eine Pflegefamilie gefunden. „Wir haben Platz, also warum sollten wir uns nicht kümmern“, fragt Andreas (Name geändert), Sohn der Familie, mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit. Gibt es denn keine Probleme? Sprachbarrieren zum Beispiel? Wieder ein erstaunter Blick. Zaid und Milad stammen beide aus Syrien. Und dort gehört Englisch ab der ersten Grundschulklasse zum Pflichtunterricht. Beide wiederum helfen Ammar, der aus Afghanistan stammt. Durch das Zusammenleben in der Familie erlernen alle drei ganz selbstverständlich die deutsche Sprache. Auch gebe es in jedem Ort mittlerweile Treffpunkte für Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Und da erfahre man dann beispielsweise auch, wo es Dolmetscher gibt. Oder auch einen syrisch sprechenden Friseur. „Das ist auch wichtig“, lacht Andreas.
Ammar, Zaid und Milad haben bereits einen Schulplatz gefunden. Was sie nach der Schule machen? „Studying“, sagt Milad, Hausaufgaben machen. Ob sie Deutschland mögen? Und plötzlich strahlen sie für einen Moment: „Ja“, antworten alle drei auf Deutsch. Sie mögen in der Adventszeit die vielen Lichter. Dunkelheit macht ihnen offensichtlich Angst. Natürlich haben sie Heimweh und vermissen ihre Familien. Aber sie haben jetzt die Sicherheit, irgendwo Fußball spielen oder durch die Stadt laufen zu können, ohne um ihr Leben zu fürchten.
Susanne (Name geändert) freut sich sichtlich über den Familienzuwachs. Seit Jahren nimmt sie Pflegekinder auf, hat also viel Erfahrung. Natürlich bringe es Veränderung mit sich, wenn plötzlich drei mehr am Mittagstisch sitzen. Gekocht werde alles, bis auf Schweinefleisch. „Dann macht man am Sonntag das Rührei halt ohne Schinken bzw. den Schinken in einer zweiten Pfanne. Auch das ist doch kein Problem“, sagt Andreas. Susanne erzählt, dass sie so oft angesprochen werde, dass man ja eigentlich Platz habe im Haus. Und man sich überlege, ein Flüchtlingskind aufzunehmen. „Traut euch doch einfach“, appelliert Susanne an alle, die sich genau das derzeit überlegen. „Sie tun das für die Kinder. Aber doch auch für sich“, betont sie. Es sei eine bereichernde Erfahrung, junge Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen, an ihrem Leben teilzuhaben und gemeinsam schlicht den Alltag zu teilen.
Seit dem 1. November werden minderjährige Flüchtlinge auf das gesamte Bundesgebiet verteilt. Da sie noch keine 18 Jahre alt sind, gilt für sie nicht das Asylrecht sondern das Jugendhilfegesetz. Zuständig sind dann die örtlichen Jugendämter. Diese bestellen bis zur Volljährigkeit einen Vormund. „Um rechtliche Dinge muss sich also niemand kümmern“, erläutert Ingrid Müller, Teamleiterin des Pflegekinderdienstes des Kreises Paderborn. Gesucht werden Familien, die Platz haben und vor allem Erfahrung in der Erziehung mitbringen. „Vielleicht sind die eigenen Kinder schon groß, auf dem Absprung oder aus dem Haus. Wenn dann noch Zeit und Kraft genug da ist, um sich um diese junge Menschen zu kümmern, dann bitte anrufen“, sagt Müller.
Die Kinder und Jugendlichen müssten erst einmal ankommen und so etwas wie Normalität und Stabilität erfahren. Familiäre Nestwärme könne helfen, Vertrauen aufzubauen. „Wir lassen die Pflegefamilien nicht allein“, betont Müller. Alle Familien, die minderjährige Flüchtlinge aufnehmen möchten, bekommen fachliche und finanzielle Unterstützung. Wer Interesse hat, kann sich ab sofort melden unter der05251 308-5125 (Lena Meiwes, Kreisjugendamt Paderborn).
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